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Sonntag, 7. März 2021
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Ich lese: Der Genfer Staatsrat Pierre Maudet sei wegen Vorteilsannahme gerichtlich verurteil worden. Er hat sich und seine Familie auf eine sehr teure, bezahlte Luxusreise an ein Autorennen nach Abu Dhabi einladen lassen. Er muss neben einer hohen... weiterlesen
Theoretisch verfügt die Schweiz über Pandemie-Erfahrung. Die Behörden agierten während der Spanischen Grippe 1918 ähnlich wie heute. Daraus könnte man lernen. weiterlesen
TV: «Dunkirk» Im Frühjahr 1940 haben Hitlers Truppen Belgien, Holland und Teile Frankreichs überrannt und die übrig gebliebenen französisch-britischen Streitkräfte in einem kleinen Küstengebiet bei Dünkirchen eingekesselt. In einer einzigartigen... weiterlesen
Es war ein nasser Samstag im Februar 2020, als es nach 22 Uhr vor unserem Balkon plötzlich wahnsinnig hell wurde. Da war Blaulicht. Filmlicht. Mehrere Polizeiautos. Kameras. Gewusel. Und ein Haufen Polizisten. Ich, ganz Gafferin im Herz, machte es.. weiterlesen
Bütschwil Eine Gesetzesänderung kostete Giuliano Wildhaber vor 30 Jahren mehrere Millionen Franken. Jetzt will er dieses Geld zurückfordern. Dazu wendet er sich an das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID).
Dieser Fall klingt gleichermassen spektakulär wie verrückt: Giuliano Wildhaber verklagt den Schweizer Staat auf 1,2 Milliarden Franken. «Alle sagen, ich sei ein Spinner», sagt der 68-Jährige. Wenn er aber seine Geschichte erzählt, ist die Forderung plötzlich nicht mehr so abstrakt. Denn vor 30 Jahren hat er auf tragische Weise sein Immobilienunternehmen verloren – und damit Millionen von Franken. Und hinzu kommt: Er ist kein Einzelfall. So wie Wildhaber erging es noch weiteren Unternehmern.
In seinem zwanzigsten Lebensjahr machte sich Giuliano Wildhaber selbstständig: «Nach dem Gymnasium wollte ich mich sofort in die Arbeitswelt stürzen.» Er begann damit, Häuser zu kaufen und wieder zu verkaufen. Wie viele andere profitierte er jahrelang von der Hochkonjunktur, die den Immobilienhandel lukrativ machte. So besass er bald Liegenschaften in der gesamten Schweiz. Schliesslich zog er mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in eine Villa am Zürichsee. Doch Anfang der 90er Jahre brach sein unternehmerisches Glück ein. 1988 kam die Volksinitiative «Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation» vor das Volk, welche die Immobilienspekulation beenden sollte. «Bundesrat, Ständerat und Nationalrat sowie 70 Prozent der Bevölkerung lehnten die Initiative ab. Ein klares «nein» also», sagt Wildhaber. Doch ein Jahr später erliess der Bundesrat mehrere Gesetze, um doch gegen die Immobilienspekulation vorzugehen. «Der Bundesrat handelte gegen den eindeutigen Volksentscheid und gegen das Notstandsrecht in der Bundesverfassung. Grundrechte wie Eigentum und Gewerbefreiheit sind notstandsfest und hätten nie eingeschränkt werden dürfen», sagt Wildhaber. Unter anderem führte der Bundesrat eine fünfjährige Sperrfrist für die Veräusserung von Bauland ein. «Am 6. Oktober 1989 erliess der Bundesrat den Sperrfristenbeschluss trotz Rückwirkungsverbot in der Verfassung sogar rückwirkend.» Dadurch platzte die sogenannte Immobilienblase. Für Wildhaber und unzählige weitere Unternehmer war dies fatal. Die Hypozinsen stiegen stark, die Grundstückpreise fielen drastisch und Wildhaber musste seine Liegenschaften zum Spottpreis verkaufen. «Alle sprachen von der Immobilienkrise. In Tat und Wahrheit war es ein Staatsstreich», sagt Wildhaber. Der Bundesrat habe verfassungswidrig gehandelt.
Dass sein Unternehmen Konkurs anmelden musste, hielt Wildhaber nicht auf. Fortan arbeitete er als Wirtschafts- und Rechtsberater. «Ich hatte stets ein gutes Leben. Mehr als meine Familie brauche ich sowieso nicht», sagt der Geschäftsmann. Vor 15 Jahren zog er ins Toggenburg – unter anderem aus finanziellen Gründen. In Bütschwil fand er seine zweite Heimat: «Ich bin schon fast ein richtiger Toggenburger.» Mit dem Ärger der Vergangenheit konnte er abschliessen. Doch im Jahr 2016 meldete sich die UBS bei ihm und verlangte das Geld, das er der Bank aufgrund der Immobilienkrise schuldete. «Die UBS forderte 1,1 Millionen Franken von mir. Das ist der Betrag, den ich für die Kredite damals hätte zurückzahlen müssen.» Noch ein Jahr, und die Schulden wären verjährt gewesen. «Darauf hatte ich mich schon gefreut», sagt Wildhaber. Dadurch war die Verjährung jedoch unterbrochen. Das war der Startschuss für Wildhabers Feldzug gegen die Schweiz.
Wildhaber reichte am Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington Klage gegen den Schweizer Staat ein. Es sei das erste Mal, dass die Schweiz, die seit 1965 Mitglied ist, am ICSID angeklagt sei. Geklagt habe die Schweiz aber schon 33 Mal. Da Giuliano Wildhaber als Schweizer jedoch nicht gegen sein eigenes Land klagen kann, vertritt er befreundete Italiener, die in der Krise ebenfalls riesige Verluste gemacht haben. «Damals sind viele Existenzen zugrunde gegangen. Manche von ihnen konnten sich vom Verlust nie mehr erholen», sagt Wildhaber, der selbst zur Hälfte Italiener ist. Er bot dem Staat eine aussergerichtliche Einigung an: 360 Millionen Franken. Dieser Betrag beinhaltet die Verluste und die in 30 Jahren entstandenen Zinsen und Zinseszinsen. «Kommt der Fall in Amerika vor den Richter, so muss der Staat viel mehr bezahlen, nämlich 1,2 Milliarden Franken», sagt der mittlerweile pensionierte Unternehmer. Auch wenn die Vermutung nahe liegt, müsse der Staat das geforderte Geld nicht mit Steuergeldern bezahlen: «Es ist eine naive Vorstellung, dass der Steuerzahler dafür aufkommen muss. Die Schweizer Nationalbank hat viele Milliarden auf der Seite.» Doch weshalb hat Wildhaber sein Geld nicht schon vor 30 Jahren eingeklagt? «Damals wäre es undenkbar gewesen, gegen den Staat vorzugehen. Wer wusste schon vom ICSID?» Erst mit dem Internet habe er von dieser Möglichkeit erfahren.
Zurzeit wartet Giuliano Wildhaber darauf, dass die Schweiz seinen Forderungen nachkommt: «Ich warte schon seit vier Monaten.» Die Deadline für die Forderung ist der 16. Juni 2020. Wenn bis dahin nichts geschieht, kommt Wildhabers Fall vor das Schiedsgericht in Washington. «Ich bin bereit, nach Washington zu gehen», sagt er siegessicher. Denn er habe unzählige Berichte, Ausschnitte aus Nachrichtensendungen und Dokumente, die ihm recht geben. «Man kann überall nachlesen, dass ich recht habe.» Unabhängig davon, ob eine aussergerichtliche Einigung stattfindet oder ob der Fall vor Gericht kommt: Mit dem Geld wird Giuliano Wildhaber wieder an den Zürichsee ziehen. Denn er vermisst seine alte Heimat.
Manuel Reisinger
Bütschwil Eine Gesetzesänderung kostete Giuliano Wildhaber vor 30 Jahren mehrere Millionen Franken. Jetzt will er dieses Geld zurückfordern. Dazu wendet er sich an das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID).
Dieser Fall klingt gleichermassen spektakulär wie verrückt: Giuliano Wildhaber verklagt den Schweizer Staat auf 1,2 Milliarden Franken. «Alle sagen, ich sei ein Spinner», sagt der 68-Jährige. Wenn er aber seine Geschichte erzählt, ist die Forderung plötzlich nicht mehr so abstrakt. Denn vor 30 Jahren hat er auf tragische Weise sein Immobilienunternehmen verloren – und damit Millionen von Franken. Und hinzu kommt: Er ist kein Einzelfall. So wie Wildhaber erging es noch weiteren Unternehmern.
In seinem zwanzigsten Lebensjahr machte sich Giuliano Wildhaber selbstständig: «Nach dem Gymnasium wollte ich mich sofort in die Arbeitswelt stürzen.» Er begann damit, Häuser zu kaufen und wieder zu verkaufen. Wie viele andere profitierte er jahrelang von der Hochkonjunktur, die den Immobilienhandel lukrativ machte. So besass er bald Liegenschaften in der gesamten Schweiz. Schliesslich zog er mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in eine Villa am Zürichsee. Doch Anfang der 90er Jahre brach sein unternehmerisches Glück ein. 1988 kam die Volksinitiative «Stadt-Land-Initiative gegen die Bodenspekulation» vor das Volk, welche die Immobilienspekulation beenden sollte. «Bundesrat, Ständerat und Nationalrat sowie 70 Prozent der Bevölkerung lehnten die Initiative ab. Ein klares «nein» also», sagt Wildhaber. Doch ein Jahr später erliess der Bundesrat mehrere Gesetze, um doch gegen die Immobilienspekulation vorzugehen. «Der Bundesrat handelte gegen den eindeutigen Volksentscheid und gegen das Notstandsrecht in der Bundesverfassung. Grundrechte wie Eigentum und Gewerbefreiheit sind notstandsfest und hätten nie eingeschränkt werden dürfen», sagt Wildhaber. Unter anderem führte der Bundesrat eine fünfjährige Sperrfrist für die Veräusserung von Bauland ein. «Am 6. Oktober 1989 erliess der Bundesrat den Sperrfristenbeschluss trotz Rückwirkungsverbot in der Verfassung sogar rückwirkend.» Dadurch platzte die sogenannte Immobilienblase. Für Wildhaber und unzählige weitere Unternehmer war dies fatal. Die Hypozinsen stiegen stark, die Grundstückpreise fielen drastisch und Wildhaber musste seine Liegenschaften zum Spottpreis verkaufen. «Alle sprachen von der Immobilienkrise. In Tat und Wahrheit war es ein Staatsstreich», sagt Wildhaber. Der Bundesrat habe verfassungswidrig gehandelt.
Dass sein Unternehmen Konkurs anmelden musste, hielt Wildhaber nicht auf. Fortan arbeitete er als Wirtschafts- und Rechtsberater. «Ich hatte stets ein gutes Leben. Mehr als meine Familie brauche ich sowieso nicht», sagt der Geschäftsmann. Vor 15 Jahren zog er ins Toggenburg – unter anderem aus finanziellen Gründen. In Bütschwil fand er seine zweite Heimat: «Ich bin schon fast ein richtiger Toggenburger.» Mit dem Ärger der Vergangenheit konnte er abschliessen. Doch im Jahr 2016 meldete sich die UBS bei ihm und verlangte das Geld, das er der Bank aufgrund der Immobilienkrise schuldete. «Die UBS forderte 1,1 Millionen Franken von mir. Das ist der Betrag, den ich für die Kredite damals hätte zurückzahlen müssen.» Noch ein Jahr, und die Schulden wären verjährt gewesen. «Darauf hatte ich mich schon gefreut», sagt Wildhaber. Dadurch war die Verjährung jedoch unterbrochen. Das war der Startschuss für Wildhabers Feldzug gegen die Schweiz.
Wildhaber reichte am Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington Klage gegen den Schweizer Staat ein. Es sei das erste Mal, dass die Schweiz, die seit 1965 Mitglied ist, am ICSID angeklagt sei. Geklagt habe die Schweiz aber schon 33 Mal. Da Giuliano Wildhaber als Schweizer jedoch nicht gegen sein eigenes Land klagen kann, vertritt er befreundete Italiener, die in der Krise ebenfalls riesige Verluste gemacht haben. «Damals sind viele Existenzen zugrunde gegangen. Manche von ihnen konnten sich vom Verlust nie mehr erholen», sagt Wildhaber, der selbst zur Hälfte Italiener ist. Er bot dem Staat eine aussergerichtliche Einigung an: 360 Millionen Franken. Dieser Betrag beinhaltet die Verluste und die in 30 Jahren entstandenen Zinsen und Zinseszinsen. «Kommt der Fall in Amerika vor den Richter, so muss der Staat viel mehr bezahlen, nämlich 1,2 Milliarden Franken», sagt der mittlerweile pensionierte Unternehmer. Auch wenn die Vermutung nahe liegt, müsse der Staat das geforderte Geld nicht mit Steuergeldern bezahlen: «Es ist eine naive Vorstellung, dass der Steuerzahler dafür aufkommen muss. Die Schweizer Nationalbank hat viele Milliarden auf der Seite.» Doch weshalb hat Wildhaber sein Geld nicht schon vor 30 Jahren eingeklagt? «Damals wäre es undenkbar gewesen, gegen den Staat vorzugehen. Wer wusste schon vom ICSID?» Erst mit dem Internet habe er von dieser Möglichkeit erfahren.
Zurzeit wartet Giuliano Wildhaber darauf, dass die Schweiz seinen Forderungen nachkommt: «Ich warte schon seit vier Monaten.» Die Deadline für die Forderung ist der 16. Juni 2020. Wenn bis dahin nichts geschieht, kommt Wildhabers Fall vor das Schiedsgericht in Washington. «Ich bin bereit, nach Washington zu gehen», sagt er siegessicher. Denn er habe unzählige Berichte, Ausschnitte aus Nachrichtensendungen und Dokumente, die ihm recht geben. «Man kann überall nachlesen, dass ich recht habe.» Unabhängig davon, ob eine aussergerichtliche Einigung stattfindet oder ob der Fall vor Gericht kommt: Mit dem Geld wird Giuliano Wildhaber wieder an den Zürichsee ziehen. Denn er vermisst seine alte Heimat.
Manuel Reisinger
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