Tobias Jensen
stellt sein Debütalbum «What Needs to Be Said» in der Rotfarb Uznach vor.
Regnerischer Frühling: Thomas Bohl konnte Mitte Juni erst einen Viertel seiner Weideflächen bearbeiten.
Das nasskalte Wetter im Mai und Juni bereitet den Landwirten Probleme. Auch der Landwirt Thomas Bohl aus Stein findet kaum ein Zeitfenster um sein Gras zu mähen.
Der Tag ist erst wenige Stunden alt. Langsam weicht das nächtliche Dunkel dem Licht des Tages. Die Morgenstille auf der Alp Sellamatt wird am vergangenen Samstag allmählich vom Klang der Glocken unterbrochen. Hie und da ist ein Jauchzen zu hören. Gemächlich ziehen die Sennen mit ihrem Vieh den Weg hinauf zu ihrer Alp. Für sie alle ist es ein langer und beschwerlicher Weg, doch sie sind frohen Mutes, denn das Warten auf diesen einen Tag im Jahr hat ein Ende. Endlich heisst es «öberefahre» am Fusse der Churfirsten. Die Sennen und Familien führen mit dem Alpaufzug, für den sie sich in ihren Trachten herausgeputzt haben, eine Tradition fort, die schon Generationen vor ihnen zelebriert haben. Dieser Freudentag zählt für zu den Wichtigsten im Jahr, bildet er doch den Beginn des mehrwöchigen Alpsommers.
Es ist Mitte Juni: Thomas Bohl sitzt in seinem Bauernhaus in Stein am Esstisch. Sein Blick ist auf die von Regentropfen übersäte Fensterscheibe gerichtet. Die Tropfen trüben die sonst glasklare Sicht auf die grosse Weide vor dem Haus. Der Himmel ist wolkenverhangen und es regnet. Mal wieder, wie so oft in diesem Frühjahr. Ans «Heuen» ist gar nicht zu denken. Bohl hebt seine Kaffeetasse an und bevor er zu einem Schluck ansetzt, sagt er: «Das unbeständige Wetter stimmt uns wehmütig.» Seit Tagen warten er und weitere Landwirte aus der Nachbarschaft auf ein geeignetes Zeitfenster, um das Gras zu schneiden. Wenigstens könne man heutzutage Siloballen fertigen, sagt er und stellt seine Tasse ab. In Gedanken ist er auf der Voralp, wo seine Tiere einen Teil des Alpsommers verbringen werden. Da die Alp gut erschlossen ist, pendelt er täglich von seinem Hof zur Alp. «Unsere Kühe und Rinder sind drei Wochen auf der Voralp. Anschliessend neun Wochen auf der oberen Alp und nochmals drei auf der Voralp. So zumindest ist der Plan, falls das Wetter mitspielt», erklärt Bohl, der zudem Präsident des Alpwirtschaftlichen Vereins ist. Der Verein vertritt die Interessen der Älpler zwischen Wattwil und Wildhaus.
Das nasse Wetter belastet ihn. Er hat erst einen Viertel seiner Weideflächen bearbeiten können. Je nachdem wie der Sommer wird, könnte es knapp werden mit der Heuernte. «In diesem Jahr hätte man früh mähen sollen. Das ging aber nicht, weil das Gras noch zu jung war», sagt er. Dabei denkt er auch an jene Landwirte, die Käsereimilch liefern. «Sie dürfen nur Heu machen. Sie sollten das Gras belüften, was wegen des feuchten Wetters fast nicht möglich ist», erklärt Bohl. Für jene Bauern mit steilen Wiesen sei es nicht möglich, die Hänge zu befahren. Die Kühe im Tal könne man auch nicht auf die Weide lassen und auch der Wert des Futters nehme stetig ab, führt er weiter aus. Seit Ende Mai sind Bohls Kühe auf der Alp. «Damit der Boden wenig Schaden nimmt, lassen wir unser Vieh nur für kurze Zeit im Freien. Da die Alpen heute meist gut erschlossen sind, müssen wir eben vom Tal das Futter zu ihnen bringen», sagt er. Noch ist sein Vieh auf der unteren Alp und das ist gut so, denn im steilen Gelände könnte es für die Kühe gefährlich werden. Sie könnten abrutschen. Das nasse Sommerwetter sei zwar aussergewöhnlich, aber nichts Neues. Bohl erinnert sich an Erzählungen über das Jahr 1980. Damals hätten die Bauern erst am 22. Juli das erste Mal mähen können. Die Kühe hätten bereits das Laub von den Bäumen gefressen, erzählt er.
Von Andreas Lehmann
Bald stehen die Stosstage für die Alp Selun an. Man geht gemeinsam mit 24 Kühen und 16 Jungtieren hinauf und im Spätsommer wieder herunter. Thomas Bohl hat aber nicht nur mit dem nassen Wetter Probleme. Auch das Tourismusgeschäft laufe schlecht. Er sei auf Einnahmen seiner Kalbermast angewiesen. «Trotz allem, jammern hilft nichts. «Ich hoffe, dass der Sommer bald seinem Namen Ehre macht und wir wieder wie gewohnt unserer Arbeit nachgehen können», sagt er abschliessend und nimmt einen letzten Schluck seines Kaffees.
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