Rose Trumpf!

«Endlich!» dachte ich mir, als meine drei Kinder diese Sommerferien Feuer fürs Jassen fingen. Besonders mein vierjähriger Sohn möchte jetzt immer die Karten zücken. Das erinnert mich an meine Kindheit, als das Jassen eine grosse Rolle spielte. In unserer Bauernfamilie mit sieben Kindern war es leicht, Jass-Partner zu finden. Beim Jassen lernt man nicht nur Kopfrechnen, sondern wertvolle Lektionen fürs Leben – und die Politik.

Politik und Jassen erfordern taktisches Geschick, strategisches Denken und die Fähigkeit, mit den vorhandenen Ressourcen das Beste herauszuholen. Beim Schieber, wie in der Politik, spielt man im Team. Man kooperiert und geht Kompromisse ein, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Dabei können die Partner, genau wie politische Koalitionen, wechseln. Es ist klug, sich am Tisch keine Feinde zu machen, denn der Gegner von heute kann der Verbündete von morgen sein.

Vertrauen ist dabei entscheidend. Ich muss mich darauf verlassen können, dass mein Partner zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung trifft – sei es, den Trumpf zu ziehen oder ihn zurückzuhalten. Auch im politischen Alltag ist das Vertrauen unerlässlich. Die Kunst besteht zudem darin, nicht immer sofort alle Trümpfe zu spielen, sondern geduldig auf den richtigen Moment zu warten und am Ende die entscheidenden Stiche zu machen.

Am meisten Punkte sammelt man nach den «Dreiler-Jassregeln» (Gemeinde Mosnang) mit Rosen, die fünffach zählen. Selbst mit durchschnittlichen Karten wage ich gern den Griff zu den Rosen, denn beim Jassen ist man nie allein und ohne ein gewisses Risiko bleibt auch der Gewinn aus. Dieser Mut fehlt mir manchmal in der heutigen Politik und dies trotz super Karten. Wir leben in einem Land voller Möglichkeiten, doch anstatt die Trümpfe konsequent auszuspielen, bleiben wir oft zu defensiv und fixieren uns zu sehr auf die Risiken. Deshalb mein Wunsch: Mehr Rosen Trumpf!

⋌Mathias Müller

⋌Stadtpräsident Lichtensteig,

⋌Kantonsrat St.Gallen, Die Mitte

Hinweis

An dieser Stelle kommen wöchentlich die Kantonsräte aus dem Erscheinungsgebiet der Toggenburger und See & Gaster Zeitung zu Wort. Sie greifen das Geschehen aus der Region auf oder schreiben über persönliche Erlebnisse. Nächste Woche ist Ivan Louis an der Reihe.