Mirko Hüppi
fährt in Österreich auf Gras zu einem doppelten Erfolg.
Wer am Hof der Familie Schnyder in Stein vorbeispaziert ahnt auf den ersten Blick kaum, dass dort Wander- und Bergschuhe Trumpf sind. Bernhard Schnyder und sein Team gehen einem alten Handwerk nach. Am Samstag luden sie in der umgebauten Schusterei zum Tag der offenen Tür.
Stein Etwas versteckt ist er schon der Schnyder Hof. Neben dem schmucken Toggenburgerhaus mit der sonnengebräunten Fassade befindet sich eine grosse Scheune. Dort, wo einst das Vieh der Familie untergebracht war, wird heute genäht, geweitet, gehämmert und verleimt. Wer den Ladenbereich betritt, kann zudem einem alten Handwerk beiwohnen. Grosse Scheiben in der umgebauten Scheune gewähren den Besuchern einen Einblick in ein nicht alltägliches Berufsgenre. Kurzum, wer seine Schuhe reparieren möchte, ist bei der Familie Schnyder gut aufgehoben.
Dass er einmal dem Schuhmacherhandwerk nachgehen würde, hätte sich Bernhard Schnyder aus Stein noch vor einigen Jahren nicht vorstellen können. Aufgewachsen in landwirtschaftlichen Verhältnissen, liess sich Schnyder zum Schreiner ausbilden und führte zudem den elterlichen Betrieb. Die Tatsache, dass der Hof zu wenig einbrachte und die Doppelbelastung beider Berufe, führten zu einem Umdenken. «Meine Frau Tanja entdeckte ein kleines Zeitungsinserat, wonach ein Schuster in Grabs einen Nachfolger suchte. Im ersten Moment dachte ich, wer flickt denn heute noch Schuhe. Trotz einiger Bedenken besuchte ich das Schuhservice Geschäft von Robert Schafferer», erzählt er. Bernhard Schnyder war in der Folge rasch vom Schuhmacherhandwerk fasziniert und fand in Schafferer einen versierten «Lehrmeister». «Ich erlernte den Beruf des Schuhmachers von der Pike auf und konnte 2010 das Geschäft in Grabs übernehmen», erzählt Schnyder. Spezialisiert auf Wander- und Bergschuhe, war er auch von Beginn weg mit der offiziellen Reparaturstelle der Marke Hanwag vertraut.
Nebst der Arbeit als Schuhmacher, führte er den elterlichen Hof während zehn Jahren weiter. Das Geschäft mit den Schuhen nahm aber kontinuierlich zu und Bernhard Schnyder fasste den Entschluss den Schuhservice in die ehemalige Post seiner Gemeinde in Stein umzusiedeln. Das brachte einiges an Entlastung für ihn und seine Familie. «Im Gegensatz zum Standort Grabs, gibt es in Stein viel weniger Laufkundschaft. Das ist aber kein Problem, denn mittlerweile werden die Reparaturaufträge zu 80 Prozent über den Postweg abgewickelt», erklärt der Steiner Schuhmacher.
Bernhard Schnyders Name stand bald für gute Qualität und zuverlässigen Service. Die Schuhmacherei in der Poststelle platzte schon nach wenigen Jahren aus allen Nähten. Den Hof zu führen und dem Schuhmacherhandwerk nachzugehen, waren für ihn und seine Familie einfach nicht mehr zu stemmen und so gab er den Hof auf. Da ein geschäftliches Wachstum in der ehemaligen Poststelle nicht möglich war, führte dies zu einem grossen Schritt für ihn und seine Familie. «Wir setzten alles auf eine Karte und nutzten den freigewordenen Platz auf dem Hof», erzählt Schnyder. In Eigenregie baute er die grosse Scheune zur Schuhmacherwerkstatt samt Ladengeschäft und Lager um. Entstanden ist eine grosszügig gestaltete Schusterwerkstatt, samt Ladenbereich, Büro und Aufenthaltsraum.
Eine grosse Holztreppe führt ins Obergeschoss zum Lagerraum. Helle Holzwände und grosse Fenster sorgen für genügend Licht.
Rund 1500 Neubesohlungen werden in Bernhard Schnyders Schuhmacherei jährlich ausgeführt. Darüber hinaus stehen verschiedene Reparaturen an. Mal müsse ein Fersenfutter erneuert oder eine Naht geflickt, ein Geröllschutz aus Gummi neu geklebt oder ein Haken für den Schuhbändel ersetzt werden, so Schnyder. Nebst diesen Arbeiten werden viele Anpassungen in der Schuhform ausgeführt. «Es kommt im wahrsten Sinn des Wortes drauf an, wo beim Kunden der Schuh drückt», schmunzelt Schnyder. «Auch hier ist ausschliesslich Individualhandwerk und viel Gefühl gefragt!». Bernhard Schnyder hat aber noch ein weiteres Ass im Ärmel.
Es könne vorkommen, dass ein Weiten oder Dehnen des Schuhs nicht den gewünschten Komfort für den Kunden bringen, so Schnyder, der auch dafür eine Lösung parat hat. «Dank meinem Mitarbeiter Laurin Salzgeber, der über eine orthopädische Ausbildung verfügt, können wir einen Schritt weiter gehen und einen exklusiven Service bieten», sagt Schnyder. Laurin Salzgeber fertigt individuelle Einlegesohlen, Schuhzurichtungen und orthopädische Schuhe. Er löse für Kunden manchmal gar Probleme, an denen Mediziner zuvor gescheitert seien, so Schnyder.
«Wenn man bedenkt, dass heute zwei von drei Personen Fussbeschwerden haben, eine davon hochgradig, wird es mir nicht so schnell langweilig werden», erklärt der Orthopädie Schuhmachermeister Salzgeber. Er arbeitet eng mit Ärzten und Physiotherapeuten zusammen, da ihn Kunden oft mit einem ärztlichen Zeugnis aufsuchen.
Für Bernhard Schnyder ist klar, dass sich der Berufswechsel und die grosse Investition in die Zukunft gelohnt haben. Wer mit ihm und seinem Team zu tun hat, spürt wie sie ihren Beruf mit Leidenschaft ausführen und lieben. Dies und die Gewissheit, dass ein altes Handwerk mit den Schnyders weiterlebt, dürften auch die zahlreichen Besucherinnen und Besucher am Tag der offenen Tür gespürt haben.
Von Andreas Lehmann
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